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Alexander Hold – wie realistisch sind Gerichtsshows? Die Gerichtsshowanalyse

Die Fachschaft Jura aus Erlangen, die sich selbst „lawesome“ nennt, hat ein lawsomes Experiment gestartet. Am 6. Juli fand unter dem Motto „An der Grenze der Verantwortungslosigkeit“ eine Gerichtsshowanalyse statt.
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Bereits zu Beginn gab es eine lückenhafte Darstellung

Wir alle haben uns wohl schon mal die Gerichtsshows auf den einschlägigen Privatsendern angesehen, bevor wir uns dazu entschlossen haben, in einem juristischen Studiengang einzuschreiben- wenn auch nur, um nach einer Minute kopfschüttelnd wegzuschalten. Bei manchen hatte das mehr, bei manchen weniger Einfluss auf den späteren Berufswunsch. Wie stark dieser tatsächlich war, bleibt das Geheimnis eines Jeden.

Die Fachschaft Jura aus Erlangen, die sich selbst „lawesome“ nennt, hat ein lawsomes Experiment gestartet. Am 6. Juli fand unter dem Motto „An der Grenze der Verantwortungslosigkeit“ eine Gerichtsshowanalyse statt. Die Fachschaft Jura aus Erlangen hat mehrere Monate in die Organisation investiert.

Es wurde einen hohen Wert darauf gelegt, eine geeignete Folge zu finden und die Referenten für dieses Projekt gewinnen zu können. In Anwesenheit vieler Studierender und Vertreter der Fachschaft stellten Prof. Safferling vom Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Internationales Strafrecht und Völkerrecht an der Universität Erlangen-Nürnberg und Staatsanwalt Mathias Schmolke fest, wie wenig die Gerichtsshow von Alexander Hold mit einer realen Gerichtsverhandlung zu tun hat.

Die Analyse wurde aufgeteilt in Verhandlungsbeginn, die einzelnen Zeugenaussagen und das Urteil.

1. Der Beginn der Hauptverhandlung:
Bereits zu Beginn gab es eine lückenhafte Darstellung, große Teile des in der StPO vorgeschriebenen Prozederes fehlten und wurden maximal in Grundzügen dargestellt, die Anklage der Staatsanwaltschaft war mangelhaft, der Sachverhalt wurde zu verschlankt dargestellt, daher gab es keinen wirklichen Einblick in den Beginn eines Verfahrens. Insbesondere fehlte es an dem Aufruf der Sache und der Feststellung der Anwesenheit.

2. Das Verfahren selbst:
Bekannt sind die Gerichtsshows durch emotionale Äußerungen und plötzliche überraschende Wendungen, hitzige Diskussionen und Zurechtweisungen durch den Richter. Mitunter passiert dies auch in der Realität, dies dürfte aber eine Ausnahme sein.

Bemängelt wird eine mangelhafte Verfahrensleitung, dem Richter wird die Verfahrensleitung zeitweise vom Staatsanwalt, aber auch durch den Angeklagten und Zeugen aus der Hand genommen.
Sein Verhalten weckt Zweifel an der Objektivität.

Weiterhin wirkt die Fragereihenfolge wenig prozessökonomisch, die Grenzen zwischen Verhandlungsbeginn verschwimmen, der entscheidende Beweis wird erst zum Schluss eingebracht. Hier lässt sich feststellen, dass es mehr um den Aufbau einer Spannungskurve als um die Klärung des Sachverhaltes geht.

Die Behandlung sachfremder Delikte, die nicht Verhandlungsgegenstand waren, gehört außerdem nicht in dieses Verfahren. Im folgenden Verlauf der Sendung interagieren die Zeugen miteinander, eine Autorität des Gerichts ist nicht gegeben. Auch auf Zwischenrufe aus dem Publikum wird dementsprechend nahezu gar nicht reagiert, sodass der unterhaltende Charakter der Sendung stärker im Fokus steht, als der tatsächliche Ablauf vor Gericht. Stringent ist es damit auch, dass Drohungen durch Zeugen nicht unterbunden werden.

Es erscheint indes so, als wäre das Ermittlungsverfahren, das für gewöhnlich im Vorlauf des Prozesses stattfindet, in den Prozess verlagert wird. Hinsichtlich möglicher Tatbestandsmerkmale wird keine hinreichende Sachverhaltsermittlung vorgenommen, stattdessen wird unwürdig auf ein Geständnis gedrängt.

Infolge dessen kommt es auch zu überzogenen Ergebnissen, der Angeklagte Schuster wird trotz fehlender Vorstrafen und mangelnder Sachverhaltsermittlung wegen § 224 verurteilt, obwohl der subjektive Tatbestand nicht ermittelt wurde. Es bleibt daher unklar, ob nicht bloß §§ 223, 239, 185 beabsichtigt waren.

Dass das Urteil mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft übereinstimmt, ist auch eher ungewöhnlich und möglicherweise ein Zeichen dafür, dass der Antrag der Staatsanwaltschaft zu niedrig war.

Fotos: Fachschaft Jura Erlangen
Fotos: Fachschaft Jura Erlangen

3. Das Resümee:
Staatsanwalt Schmolke resümierte, dass die gezeigte Gerichtsshow mit dem Geschehen im Gerichtssaal nichts zu tun habe, alles sei klischeehaft überzeichnet und keine Basis für ein Urteil.
Bei der Sendung handele es sich vielmehr um eine Talkshow im Gerichtssaal. Professor Safferling ergänzte, dass hier ein Kontrast zur Realität bestünde.

„Ihnen muss klar sein, dass das, worum es vor Gericht geht, nicht lustig ist. Das sind belastende Erlebnisse und wie hier damit umgegangen wird ist schon an der Grenze der Verantwortungslosigkeit.“

Der Moderator Johannes Gründel der Veranstaltung bricht für Richter Alexander Hold, der schließlich echter Richter ist, (und möglicherweise als Bundespräsident kandidiert) eine Lanze: „Zur Verteidigung von Richter Hold muss man auch sagen, dass es eine besonders schlimme Folge war und er natürlich auch einen Unterhaltungsauftrag hat. Wenn man eine Verhandlung realistisch nachstellen würde, würde sich das niemand anschauen.“

Alles in Allem ein Projekt, das seinesgleichen sucht und den teilweise trockenen juristischen Alltag mit der verschobenen Realität des Unterhaltungsfernsehens und den Vorurteilen, die gegenüber Gerichtsverhandlungen bestehen in Berührung bringt.

Wir danken Johannes Gründel, Véronique Schirrmeister und Willi Huber, wie auch dem Rest der Fachschaft Jura Erlangen für die Organisation dieser Veranstaltung und der Bereitschaft dazu, uns hierüber exklusiv zu berichten.

Wer sich die zugrundeliegende Sendung zu Gemüte führen möchte, ist dazu herzlich eingeladen: https://www.youtube.com/watch?v=L9l0QrQk-Co

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