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„In hoc signo vinces“ – Leitlinien des Markenrechts

"In hoc signo vinces" [1] - Themen des gewerblichen Rechtsschutzes genossen in der breiten Öffentlichkeit lange nur verhaltene Aufmerksamkeit. Dies gilt in jüngerer Zeit nicht mehr für eine ganze Reihe Kennzeichenstreitigkeiten, die in den Medien teils heftige Reaktionen hervorgerufen haben.
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Zeichen und Symbole erfüllen im Alltag und im Wirtschaftsleben unterschiedlichste Funktionen.

Einführung

Themen des gewerblichen Rechtsschutzes genossen in der breiten Öffentlichkeit lange nur verhaltene Aufmerksamkeit. Dies gilt in jüngerer Zeit nicht mehr für eine ganze Reihe unterschiedlicher Kennzeichenstreitigkeiten, die in den Medien ein lebhaftes Echo gefunden und teils heftige Reaktionen hervorgerufen haben.

Der Grund liegt zum einen darin, dass unkonventionellen Kennzeichenformen – wie dreidimensionalen Marken, Farbmarken, Klangmarken oder Geruchsmarken – ein Hauch von Exotik anhaftet. Zudem spielt die Marke als Kommunikationsinstrument im täglichen Leben inzwischen eine omnipräsente Rolle und gewinnt dadurch gegenüber anderen Schutzrechten eine besondere Lebendigkeit.

So erfuhr etwa anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 2006 die Frage nach den Schutzmöglichkeiten für Veranstaltungsbezeichnungen und der Ausdehnung dieses Schutzes durch den Rechtsstreit zwischen der FIFA und dem Süßwarenhersteller Ferrero eine exemplarische Zuspitzung.[2] Zahlreiche Auseinandersetzungen um die Lindt Schokoladen-Hasen[3] und den Schokoladen-Bären[4] können schon als Markenrechts-Saga bezeichnet werden. Der Eisbär Knut[5] erregt ebenso die Gemüter der Markenrechtler wie Possenreißer Mario Barth[6].

A. Grundlagen

I. Kennzeichenbegriff

Zeichen und Symbole erfüllen im Alltag und im Wirtschaftsleben unterschiedlichste Funktionen. Sie dienen als Kommunikationsmittel, Informationsträger und Identifizierungsmerkmal. Personen und Gegenstände werden bezeichnet bzw. gekennzeichnet, um sie zuordnen und unterscheiden zu können. Rechtliches Gegenstück vielfältiger Zeichentypen und deren Einsatzzwecke sind unterschiedlich ausgestaltete Kennzeichenrechte. Ein Kennzeichenrecht gewährt ein ausschließliches, gegenständliches Recht an einem Zeichen, das gegen jedermann wirkt.

Wie andere Immaterialgüterrechte sind Kennzeichenrechte insoweit mit dem Eigentum an Sachen vergleichbar. Das Ausschließlichkeitsrecht umfasst jedoch nicht das Zeichen per se, sondern ist stets auf dessen Beziehung zu dem gekennzeichneten Objekt ausgerichtet.[7]

Der Schutz ist daher auf bestimmte Verletzungshandlungen begrenzt. Das Kennzeichenrecht unterscheidet – je nach Ausgestaltung dieser Beziehung zwischen dem Zeichen und dem bezeichneten Objekt – verschiedene Arten von Rechten. Dazu zählen Marken, Unternehmenskennzeichen, Werktitel und geographische Herkunftsangaben. An einem Zeichen können parallel und unabhängig voneinander unterschiedliche Kennzeichenrechte bestehen.

II. Legislativer Rahmen

1. Kodifikationen

In der Europäischen Union können Marken auf nationaler Ebene in Umsetzung der Markenrechtsrichtlinie[8] (MRL) bei den Markenämtern (IP-offices) der Mitgliedsstaaten oder auf EU-Ebene als Gemeinschaftsmarke nach der Gemeinschaftsmarkenverordnung[9] (GMV) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt in Alicante (HABM) registriert werden. Nationale und Gemeinschaftsmarken koexistieren unter einem einheitlichen Regime.

Zeichen können sowohl als Gemeinschaftsmarke und/oder als nationale Marke eingetragen sein. Das Gemeinschaftsmarkensystem basiert auf einem zentralen Eintragungsverfahren, das dem Anmelder ermöglicht mit einer Anmeldung Schutz für alle 28 EU-Mitgliedsstaaten zu erlangen.

Das am 1. Januar 1995 in Kraft getretene Markengesetz (MarkenG) dient der Umsetzung der Markenrechtsrichtlinie in Deutschland, regelt aber auch den nationalen Schutz von geschäftlichen Bezeichnungen (Unternehmenskennzeichen und Werktitel) nach §§ 5, 15 MarkenG, die nicht auf der Richtlinie beruhen, sowie geographische Herkunftsangaben, §§ 126 ff. MarkenG. Das MarkenG ist zudem auf international registrierte Marken nach dem Madrider Markenabkommen (MMA) anzuwenden, §§ 107-125 MarkenG.

Völkerrechtlich bedeutsam für das Markenrecht sind außerdem die Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (PVÜ), das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum (TRIPS-Abkommen) und das Abkommen von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken (Nizza-Klassifikation).

2. Allgemeine Prinzipien

Das Kennzeichenrecht ist Teil des gewerblichen Rechtsschutzes und des Privatrechts. Da registrierte Marken von einer Behörde per Verwaltungsakt erteilt werden, bestehen hier aber Überschneidungen mit dem Verwaltungsrecht. Kennzeichenrechte sind als geistiges Eigentum verfassungsrechtlich geschützt.[10] Unter Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG besteht in der Ausgestaltung aber ein erheblicher Spielraum für den Gesetzgeber.

Wie für alle Rechte des geistigen Eigentums ist auch für Kennzeichenrechte anerkannt, dass sie nur innerhalb des Staates bzw. Territoriums Geltung beanspruchen können, in dem sie erteilt oder anerkannt wurden (Territorialitätsprinzip). Die territoriale Reichweite bestimmt indes nicht über das anwendbare Recht. Auf Entstehung, Schutzbereich, Verletzung und Schrankenregelungen ist stets das Recht des Staates anzuwenden, für den um Schutz nachgesucht wird (Schutzlandprinzip).

Bei den in der Praxis hochrelevanten Verletzungsfällen im Internet stellt sich daher die Frage, ob diese Kennzeichenverletzungen nach sämtlichen Rechtsordnungen der Länder beurteilt werden müssen, in denen die Internetseite abrufbar ist und wie sich hier eine sinnvolle Beschränkung erreichen lässt.

3. Konkurrenzen

Der Schutz von Marken, geschäftlichen Bezeichnungen und geographischen Herkunftsangaben nach dem MarkenG schließt gemäß § 2 MarkenG die Anwendung anderer Vorschriften zum Schutz dieser Kennzeichen nicht aus. Dennoch wird angenommen, dass das Markenrecht den Kennzeichenschutz abschließend regelt und in seinem Anwendungsbereich das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), mit dem zahlreiche Berührungspunkte bestehen, verdrängt (Vorrangthese).[11]

In Anbetracht der fortschreitenden europäischen Rechtsharmonisierung auch im Bereich des Lauterkeitsrechts[12] dürfte dies jedoch nicht mehr haltbar sein. Anzustreben ist jedenfalls eine Wertungseinheit zwischen Marken- und Lauterkeitsrecht. Der registerrechtliche Firmenschutz gemäß §§ 17 ff. HGB bleibt unberührt. Vorschriften des BGB sind neben dem sondergesetzlichen Schutz im Bereich des geistigen Eigentums dann anwendbar, wenn keine Spezialvorschriften bestehen.

Ein Schutz nach § 12 BGB besteht etwa nur hinsichtlich des bürgerlichen Namens und hinsichtlich des Firmenschutzes außerhalb des geschäftlichen Verkehrs. Durch die Anwendung von BGB-Vorschriften darf kein Schutz gewährt werden, den das Kennzeichenrecht seiner Wertung nach bewusst vorenthalten will.

III. Kennzeichenarten

1. Marke

In rechtlicher Hinsicht markenfähig ist ein Zeichen, das dazu dient, Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens von denen eines anderen zu unterscheiden, § 3 Abs. 1 MarkenG[13]. Marken können Wörter, Bilder, Wort-/Bild-Kombinationen, Logos, Objekte oder andere charakteristische Merkmale sein, die sich – nach geltender Rechtslage – graphisch darstellen lassen, § 8 Abs. 1 MarkenG. Sie können z.B. aus der Form einer Ware, ihrer Verpackung, Klängen oder Gerüchen bestehen. Möglich sind auch Positions-, Bewegungs- Tast- oder Geschmacksmarken. Die Markenfähigkeit im Sinne von § 3 MarkenG setzt voraus, dass ein Zeichen wie ein Name für Produkte fungieren kann. Dafür muss das Zeichen gedanklich von der Ware oder Dienstleistung abstrahierbar sein. Dies ist etwa dann nicht der Fall, wenn ein Zeichen aus einer Form besteht, die durch die Art der Ware selbst bedingt ist, zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist oder der Ware einen wesentlichen Wert verleiht, § 3 Abs. 2 MarkenG. Eine Marke erfüllt drei Grundfunktionen:

  • sie identifiziert die Herkunft von Waren und Dienstleistungen,
  • sie garantiert eine konsistente Qualität, indem die Verpflichtung einer Organisation an ihre Nutzer und Konsumenten verdeutlicht wird,
  • sie dient als Form der Kommunikation, als Basis für Publizität und Werbung.

Im Unterschied etwa zum Patentrecht und auch zum Urheberrecht schützt das Markenrecht nicht primär eine bestimmte Leistung, wie eine Erfindung oder ein schöpferisches Werk, sondern soll eine Produktzuordnung ermöglichen.

Die rechtliche Beurteilung einer Marke muss daher immer mit Blick auf ein bestimmtes Produkt oder eine Produktgruppe erfolgen. Durch Investitionen in Produktqualität und Werbung kann eine Marke indes einen Eigenwert erlangen, der als solcher schutzwürdig ist. Eine Marke kann auf diese Weise zu einem zentralen Vermögenswert eines Unternehmens werden, wie „Coca- Cola“, die Audi-Ringe oder das Magenta der Deutschen Telekom.

Eine Markenregistrierung ist eine der schlagkräftigsten Möglichkeiten, eine Firmenmarke zu verteidigen. Auf diesem Wege kann sichergestellt werden, dass niemand sonst die Marke verwendet. Wird die Marke nicht registriert, können andere möglicherweise ihrerseits Rechte an dem Zeichen erwerben, um eigene Waren und Dienstleistungen zu unterscheiden. Marken beeinflussen täglich maßgeblich die Konsumentenentscheidungen. Eine starke Marke schafft eine Identität, bildet Vertrauen, unterscheidet von Wettbewerbern und vereinfacht die Kommunikation zwischen Käufer und Verkäufer.

2. Unternehmenskennzeichen

Unternehmenskennzeichen gemäß § 5 Abs. 2 MarkenG sind Zeichen, die im geschäftlichen Verkehr als Name, Firma oder als besondere Geschäftsbezeichnung benutzt werden. Ein Unternehmenskennzeichen individualisiert in erster Linie nicht Produkte, sondern das Unternehmen bzw. den Geschäftsbetrieb. Dies können z.B. Bezeichnungen wie „BMW AG“, „Rheinchemie“ oder „Bäckerei Müller“ sein, aber auch Etablissement-Bezeichnungen wie „Burgstube“ oder „Schlosshotel Hoffnungsthal“.

3. Werktitel

Werktitel gemäß § 5 Abs. 3 MarkenG kennzeichnen namensfähige Werke wie Bücher, Filme oder Musikstücke aber auch Computerprogramme, z.B. „Der Hund von Baskerville“, „Yellow Submarine“ oder „Windows“. Im Unterschied zum Unternehmenskennzeichen bezeichnet der Werktitel ein Produkt. Im Gegensatz zur Marke bezieht sich der Werktitel nicht auf den Anbieter, sondern ist inhaltsbezogen.

4. Geographische Herkunftsangaben

Geographische Herkunftsangaben gemäß §§ 126 ff. MarkenG sind Produktnamen, die eine direkte geografische Zuordnung ermöglichen. In der Praxis stehen Agrarerzeugnisse und Lebensmittel im Vordergrund (z.B. Spreewälder Gurken, Aachener Printen oder Kölnisch Wasser).

Qualifizierte geographische Herkunftsangaben verweisen zugleich auf eine bestimmte Qualität (z.B. Parmaschinken oder Champagner). Es handelt sich um Kollektivrechte, die jeder benutzen darf, der in der betreffenden Region produziert und die Qualitätsstandards einhält.

5. Sonderfall: Domainnamen

Einen Sonderfall bilden Domainnamen, die per se nicht Gegenstand eines Kennzeichenrechts sind, sondern durch private Registrierungsstellen nach dem „first-come, first-serve“-Prinzip ohne Prüfung der Berechtigung vergeben werden.[14] Ein Kennzeichenrecht kann aber entstehen, wenn die Voraussetzungen des Markenschutzes oder des Schutzes als Unternehmenskennzeichen vorliegen. Umgekehrt kann es durch die Nutzung von Domainnamen zur Verletzung bestehender Kennzeichenrechte kommen. Die noch für 2013 geplante Einführung neuer, generischer Top-Level-Domains, also neuer Internetadressendungen, durch die Internet-Verwaltung ICANN[15], dürfte eine Fülle von Kennzeichenstreitigkeiten nach sich ziehen.

B. Schutzvoraussetzungen

I. Enstehungsgründe

§ 4 MarkenG sieht drei Entstehungsformen für den Markenschutz vor: Die Eintragung als Registermarke, die Benutzungsmarke und die notorisch bekannte Marke. In ihren Wirkungen stehen Benutzungsmarken und Notorietätsmarken den Registermarken gleich.

1. Registerverfahren

Bei der Registermarke handelt es sich um ein förmliches Recht, das die Einreichung einer Markenanmeldung beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) voraussetzt. Die Anmeldung muss eine präzise Angabe der Waren und/oder Dienstleistungen enthalten, für die Schutz begehrt wird. Die Nizza-Klassifikation sieht hierfür insgesamt 45 Waren- und Dienstleistungsklassen vor. Das Amt überprüft, ob die formellen Voraussetzungen der Anmeldung gewahrt sind und keine absoluten Schutzhindernisse gemäß §§ 3, 8 oder 10 MarkenG vorliegen.

Wird die Anmeldung zurückgewiesen, besteht eine Beschwerdemöglichkeit zum Bundespatentgericht, BPatG. Bei Eintragung der angemeldeten Marke besteht für Dritte innerhalb von drei Monaten die Möglichkeit, Widerspruch zu erheben und relative Eintragungshindernisse gemäß §§ 9-13 MarkenG[16] geltend zu machen. Relative Eintragungshindernisse können sich dann ergeben, wenn die eingetragene Marke mit prioritätsälteren geschützten Rechten kollidiert.

Sie können entweder im patentamtlichen Widerspruchsverfahren oder im Rahmen eines Löschungsverfahrens gemäß §§ 55, 51 MarkenG vor ordentlichen Gerichte geltend gemacht werden.[17] Der Zeitpunkt der Anmeldung bestimmt den Zeitrang (Prioritätsprinzip), §§ 6, 33 MarkenG. Gegen Beschlüsse des BPatG besteht die Möglichkeit der Rechtsbeschwerde zum BGH, § 83 MarkenG.

Eine eingetragene Marke hat grundsätzlich eine Schutzdauer von 10 Jahren, die jedoch beliebig oft um jeweils weitere 10 Jahre verlängert werden kann, § 47 MarkenG, also faktisch unbegrenzt ist. Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine Marke wegen Verfalls oder Nichtigkeit auf Antrag oder im Klagewege aber wieder gelöscht werden.

2. Benutzungsmarke, notorisch bekannte Marke und geschäftliche Bezeichnungen

Durch bloße Benutzung entsteht der Markenschutz, wenn das benutzte Zeichen Verkehrsgeltung erlangt hat, das Zeichen markenfähig im Sinne von § 3 MarkenG ist und keine Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 MarkenG vorliegen. Verkehrsgeltung setzt voraus, dass ein nicht unerheblicher Teil der Abnehmer, insbesondere Händler und Verbraucher (Verkehrskreise) das Zeichen als Hinweis auf den Inhaber auffasst.

Der erforderliche Grad der Verkehrsbekanntheit richtet sich nach der Art des Kennzeichens und dem konkreten Produkt. Bestimmte Prozentsätze lassen sich hier nicht aufstellen. Die Verkehrsgeltung muss im Inland erworben werden und kann sich auf bestimmte Regionen beschränken. Dann besteht Schutz allerdings auch nur für dieses Gebiet. Der Begriff der notorischen Bekanntheit stammt aus Art. 6 bis PVÜ und verlangt eine besonders hohe Bekanntheit, wie sie meist nur weltweit bekannten Marken (z.B. McDonald’s, Mercedes Benz, Coca Cola) zukommen dürfte.

Eine Benutzung im inländischen Geschäftsverkehr ist nicht erforderlich, lediglich die notorische Bekanntheit im Inland. Die praktische Bedeutung dieser Konstellation ist gering. Der Kennzeichenschutz für Unternehmenskennzeichen und Werktitel entsteht ebenfalls unabhängig von einer Registrierung mit tatsächlicher Aufnahme der Benutzung, wenn die Bezeichnung über originäre Kennzeichnungskraft bzw. werkbezogene Unterscheidungskraft verfügt.

Fehlende Kennzeichnungskraft kann durch Verkehrsgeltung überwunden werden. Eine zeitliche Vorverlagerung des Titelschutzes wird dann angenommen, wenn die Benutzung in branchenüblicher Weise angekündigt wird und alsbald erfolgt.[18]

II. Absolute Schutzhindernisse

Überblick

Das Erfordernis der Markenfähigkeit gemäß § 3 Abs. 1 MarkenG betrifft sämtliche Kennzeichen. Demgegenüber gilt § 8 MarkenG unmittelbar nur für Registermarken. § 8 Abs. 2 MarkenG regelt die absoluten Schutzhindernisse, die im Interesse der Allgemeinheit im Einzelfall einer Schutzgewährung im Wege stehen. Das jeweils zugrundeliegende Allgemeininteresse folgt dabei unterschiedlichen Ausprägungen.

Die Tatbestände von § 8 Abs. 2 Nr. 1-3 MarkenG betreffen den Schutz von Mitbewerbern des Anmelders. Zeichen, die sich in beschreibenden Angaben erschöpfen (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG), zu üblichen Bezeichnungen geworden (§ 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG) oder nicht geeignet sind, die in der Anmeldung beanspruchten Waren und/oder Dienstleistungen ihrer betrieblichen Herkunft nach zu individualisieren (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) sollen auch Konkurrenten des Anmelders als Allgemeingut zur freien Verfügung stehen.

Die Schutzhindernisse für täuschende (§ 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG) und sittenwidrige Marken (§ 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG) nehmen Interessen aller Marktteilnehmer in den Blick, da der Wettbewerb hier insgesamt beeinträchtigt wird. Die Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 6-9 MarkenG dienen dem öffentlichen Interesse. Der erst nachträglich eingefügte Tatbestand der bösgläubigen Anmeldung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG nimmt eine Sonderstellung ein und ist stark wettbewerbsrechtlich geprägt.

Wird eine Marke nur angemeldet, um eine Benutzung durch berechtigte Vorbenutzer zu sperren oder zu reinen Spekulationszwecken ohne ernsthaften Benutzungswillen, so soll dies bereits im Eintragungsverfahren unterbunden werden.[19] Während es bei der Frage der Markenfähigkeit nach § 3 Abs. 1 MarkenG darauf ankommt, ob ein Zeichen seiner Art nach allgemein schutzfähig ist (abstrakte Unterscheidungseignung), muss die Prüfung der absoluten Schutzhindernisse jeweils konkret auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen bezogen werden.

Ein absolutes Schutzhindernis kann daher auch nur für einen Teil der beanspruchten Produkte vorliegen, während das Zeichen für das übrige Produktspektrum schutzfähig ist. Die Bezeichnung „Brot“ oder ein Emblem mit der Abbildung eines „angebissenen“ Brotes mag zwar für Backwaren und Toast oder auch für Aufstrich rein beschreibend und daher nicht schutzfähig sein. Dies gilt aber nicht im Hinblick auf Computer, Smartphones oder Digitalkameras.

Die Beurteilung der absoluten Schutzfähigkeit einer Marke ist eine Rechts-, keine Tatsachenfrage.[20] Reale Verkehrsvorstellungen finden daher in Form von Erfahrungssätzen Berücksichtigung [21], die durch die Rechtsprechung entwickelt werden. Zu den wichtigsten Schutzversagungsgründen hat sich eine breitgefächerte Kasuistik ausgebildet.

Die im öffentlichen Interesse bestehenden Schutzhindernisse sind auf Benutzungsmarken entsprechend anwendbar. Die mitbewerberbezogenen Schutzhindernisse fließen bei Benutzungsmarken und geschäftlichen Bezeichnungen in die Anforderungen an die Beurteilung der Kennzeichnungskraft und Verkehrsgeltung ein.

II. Freihaltebedürfnis und Unterscheidungskraft

In der Praxis kommt den absoluten Schutzhindernissen fehlender (konkreter) Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG und für beschreibende Angaben gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG die weitaus größte Relevanz zu.

1. Überschneidungen im Anwendungsbereich

Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind von der Eintragung solche Marken ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Produkte dienen können (Freihaltebedürfnis).

Demgegenüber sind nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG Marken schutzunfähig, wenn ihnen für die Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Der unbestimmte Rechtsbegriff der Unterscheidungskraft in § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erweist sich gegenüber dem in § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG normierten Freihaltebedürfnis für beschreibende Angaben als weit weniger griffig.

Bei der Prüfung der Unterscheidungskraft eines Zeichens stellt sich das praktische Problem, die hier maßgebliche Verkehrsauffassung, für die es auf die tatsächlich vorhandenen Wahrnehmungen der Abnehmer ankommt, zuverlässig zu ermitteln. Die Vorstellungen über ein entsprechendes Verkehrsverständnis sind häufig von subjektiven Eindrücken und Erfahrungen bestimmt. Entscheidend – und offenbar oft vom Zufall abhängig – ist die Intensität und Tiefe der vorangegangenen Ermittlung und Recherche.

Deshalb haftet der Prüfung fehlender Unterscheidungskraft etwas Spekulatives an. Es verwundert nicht, dass die Rechtsprechung und Amtspraxis in diesem Bereich eine klare Linie oft vermissen lassen und die angewandten Maßstäbe deutlichen Schwankungen unterworfen sind. Eine saubere Trennung zwischen beiden Tatbeständen findet oft nicht statt.

2. Kriterien der Unterscheidungskraft

a) Wortmarken besitzen laut BGH grundsätzlich dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen.[22] Gleiches gilt, wenn die Marken aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden.[23]

Die Unterscheidungskraft ist im Hinblick auf jede der Waren oder Dienstleistungen, für welche die Marke Schutz beansprucht, gesondert zu beurteilen. Abzustellen ist auf die Anschauung des angesprochenen Verkehrs. Dabei kommt es – in der Diktion des EuGH – auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen an.[24]

Grundsätzlich sind zwar für alle Markenkategorien gleiche Maßstäbe anzulegen. In tatsächlicher Hinsicht wird der Verbraucher indes aus der Form oder Farbe gewöhnlich nicht in gleicher Weise auf die betriebliche Herkunft eines Produkts schließen wie bei einer Wort- oder Bildmarke.

b) Gleichfalls nicht unterscheidungskräftig sind Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die Ware oder Dienstleistung zwar nicht unmittelbar betreffen, wenn durch die Angabe trotzdem ein enger beschreibender Bezug zu den angemeldeten Produkten hergestellt wird.

Die Eignung, Waren oder Dienstleistungen ihrer Herkunft nach zu unterscheiden, fehle, wenn es sich bei dem Zeichen um ein geläufiges und alltägliches Wort der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das der Verkehr stets nur als solches, nicht jedoch als Unterscheidungsmittel versteht. Dies liege bei Angaben nahe, die allgemein verwendet oder nur als Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art aufgefasst werden.[25]

Zu solchen nicht unterscheidungskräftigen Wortzeichen rechnet der BGH in der „FUSSBALL WM 2006“-Entscheidung[26] die sprachübliche Bezeichnung von Ereignissen/Veranstaltungen und zwar nicht nur für das Ereignis selbst, sondern auch für Waren und Dienstleistungen, die vom Verkehr mit diesem Ereignis in Zusammenhang gebracht werden (sei es als Sonderanfertigung, als Sonderangebot oder als notwendige oder zusätzliche Leistung aus Anlass dieses Ereignisses).

Die Gemeinfreiheit der den Anlass beschreibenden Angabe stehe in diesen Fällen deren herkunftshinweisender Zuordnung zu einem bestimmten Unternehmen entgegen.[27] Ob diese Argumentation auf (Groß)Veranstaltungen begrenzt bleibt oder ob sie sich auf weitere Kategorien von Bezeichnungen übertragen lässt, ist bislang offen geblieben.

c) Schließlich soll auch die mögliche Anbringung/Benutzungsmodalität des angemeldeten Zeichens auf dem Produkt für die Unterscheidungskraft maßgeblich sein.[28] Mit dieser Begründung hat der BGH die Bezeichnung „TOOOR!“ als schutzfähig u.a. auch für Fußballbekleidung angesehen. Hierbei verschwimmen indes die Grenzen zur Positionsmarke als eigenständiger Zeichenkategorie einerseits und zur Frage der markenmäßigen Benutzung im Verletzungsverfahren andererseits.

III. Verkehrsdurchsetzung

Die Eintragungshindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1-3 MarkenG können überwunden werden, wenn die Marke sich vor dem Zeitpunkt der Entscheidung über die Eintragung infolge ihrer Benutzung für Waren und Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, in den beteiligten Verkehrskreisen durchgesetzt hat, § 8 Abs. 3 MarkenG.

Verkehrsdurchsetzung verlangt also, dass die Marke für die betreffenden Produkte als Unterscheidungszeichen im Sinne eines Hinweises auf den Anmelder wahrgenommen wird. In der Regel setzt die Verkehrsdurchsetzung einen deutlich höheren Bekanntheitsgrad voraus als die Verkehrsgeltung im Rahmen von § 4 Nr. 2 MarkenG, nämlich ab einem Zuordnungsgrad von über 50 %, wenngleich auch hier keine festen Prozentsätze gelten. Kriterien sind weiterhin der Werbeaufwand, die Dauer der Benutzung, der Marktanteil und die geographische Verbreitung.[29]

C. Schutzbereich

Das Kennzeichenrecht gewährt dem Inhaber ein ausschließliches Recht. Auf dieser Grundlage kann der Inhaber Dritten untersagen, das Zeichen ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr zu verwenden, §§ 14 Abs. 1, 15 Abs. 1 MarkenG. Wird die Verletzung gerichtlich geltend gemacht, ist das deutsche Verletzungsgericht an den Bestand einer Registermarke gebunden (Bindungsgrundsatz).

Die bereits vom DPMA geprüften absoluten Schutzhindernisse darf es nicht überprüfen. Demgegenüber findet bei nichteingetragenen Kennzeichenrechten eine Überprüfung der materiellen Schutzvoraussetzungen im Verletzungsprozess statt.

I. Benutzung

1. Im geschäftlichen Verkehr

Zunächst sind nur solche Benutzungshandlungen rechtsverletzend, die im geschäftlichen Verkehr erfolgen, d.h. im Zusammenhang mit einer kommerziellen Tätigkeit und nicht im privaten Bereich. Nicht erfasst wird etwa eine Privatperson, die sich mit einer veränderten oder gefälschten Markenware kleidet[30] oder die Benutzung zu wissenschaftlichen oder lexikalischen Zwecken. Bei Markenbenutzungen im Rahmen von Internet-Verkäufen kann die Abgrenzung problematisch sein.

Hier sind Indizien wie die Häufigkeit der Verkäufe, die Anzahl der verkauften Gegenstände und die Zahl der Verkäuferbewertungen heranzuziehen.[31] § 14 Abs. 3, 4 MarkenG nennen beispielhaft relevante Benutzungshandlungen, insbesondere das Anbringen des Zeichens auf der Ware oder auf der Verpackung, das Angebot von Waren unter dem Zeichen, die Benutzung des Zeichens im Import und Export sowie auf Geschäftspapieren und in der Werbung.

2. Markenmäßige Benutzung

Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal muss das angegriffene Zeichen markenmäßig verwendet werden. Die Auslegung und Reichweite dieses Merkmals ist indes stark umstritten. Der EuGH prüft zunächst, ob das Zeichen überhaupt zur Unterscheidung von Waren oder Dienstleistungen aus einem Unternehmen eingesetzt wird. Sodann wird in einem zweiten Schritt geprüft, ob durch die Benutzung des Zeichens Funktionen der Marke beeinträchtigt werden können.[32]

An einer markenmäßigen Benutzung fehlt es, wenn das Zeichen aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise lediglich beschreibend, dekorativ oder ornamental verwendet wird. Die Verwendung von dekorativen und bildhaften Elementen erfolgt nicht markenmäßig, wenn sie im Gesamterscheinungsbild des Produkts gegenüber sonstigen Merkmalen verblassen oder nur als Verzierung aufgefasst werden.[33]

Die Benutzung einer Automarke auf einem Miniaturmodell beeinträchtigt die Markenfunktionen selbst dann nicht, wenn die Marke auch für Spielzeug eingetragen ist.[34] Problematisch im Hinblick auf die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigung sind Fälle der Buchung einer fremden Marke als Schlüsselwort in einer Online-Suchmaschine[35] (sog. Keyword-Advertising) oder die Verwendung in Metadaten auf Internetseiten (sog. Meta-Tags).

3. Kennzeichenkollision

a) Grundkonstellationen

Zu Kennzeichenkollisionen kommt es dann, wenn identische oder ähnliche Zeichen von mehreren Nutzern unabhängig voneinander verwendet werden. Kollisionen können sowohl bei Eintragung als auch später im Verletzungsfall auftreten. Der Zeichenkonflikt wird im Widerspruchsverfahren ebenso wie im Verletzungsverfahren nach gleichen Grundsätzen gelöst. Die Tatbestände des § 9 Abs. 1 und § 14 Abs. 2 MarkenG sind daher parallel formuliert. Das Gesetz unterscheidet drei Grundkonstellationen:

  • identische Zeichen werden für identische Produkte verwendet (§ 9 Abs. 1 Nr. 1; § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG);
  • identische oder ähnliche Zeichen werden für identische oder ähnliche Produkte verwendet und erzeugen eine Verwechslungsgefahr (§ 9 Abs. 1 Nr. 2; § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG);
  • Zeichen werden verwendet, die einem bekannten Kennzeichen zumindest ähneln und des Ruf oder Unterscheidungskraft in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen (§ 9 Abs. 1 Nr. 3; § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG).

b) Verwechslungsschutz

Dem Verwechslungstatbestand gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 bzw. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG kommt die größte praktische Bedeutung zu. Die Verwechslungsgefahr ist Herzstück der Kennzeichenverletzung und liegt dann vor, wenn die betreffenden Verkehrskreise glauben könnten, dass die mit der angegriffenen Marke gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen und die mit der Klage-/Widerspruchsmarke bezeichneten Produkte aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen.

Dies ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzel- falls umfassend zu prüfen.[36] Entscheidende Beurteilungsfaktoren sind:

  • die Kennzeichnungskraft der älteren Marke,
  • die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen
  • sowie die Ähnlichkeit der von diesen erfassten Waren und Dienstleistungen.

Bei der Bestimmung der Verwechslungsgefahr ist von einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungsfaktoren der Waren-/Dienstleistungsidentität oder -ähnlichkeit, der Zeichenidentität oder -ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Klage-/ Widerspruchsmarke auszugehen. Ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen kann durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder der Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden und umgekehrt.[37]

Bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind.[38] Die Frage der Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Marken ist nach deren Ähnlichkeit im Klang, im (Schrift-)Bild und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken können.[39] In der Regel kann bereits die hinreichende Übereinstimmung in einem Aspekt für die Annahme einer Verwechslungsgefahr ausreichen.[40]

§ 15 MarkenG enthält für die in § 5 MarkenG geregelten Kennzeichenrechte einen § 14 MarkenG nachgebildeten Verletzungstatbestand, so dass die geschilderten Grundsätze hier – im Sinne einer einheitlichen Auslegung der Kennzeichenrechte – ebenfalls Anwendung finden.

D. Ausblick

Dem Markenrecht kommt auf europäischer Ebene eine Vorreiterrolle im Bereich der gewerblichen Schutzrechte zu. Der hohe wirtschaftliche Bedarf nach Markenschutz lässt sich an den Anmeldezahlen und am Registerbestand der nationalen Ämter und beim HABM in Alicante ablesen.[41] Im Jahr 2011 wurden europaweit 540.000 Marken angemeldet. Davon gingen 104.000 Anmeldungen beim HABM und 435.000 Anmeldungen bei den nationalen Markenämtern der Mitgliedsstaaten ein. Mit Stand März 2013 waren in der Europäischen Union insgesamt 9,8 Millionen Marken registriert, 90 % davon nationale Marken, 10 % Gemeinschaftsmarken.

Am 27. März 2013 hat die Europäische Kommission ein lang erwartetes Reformpaket zur Modernisierung des Europäischen Markenrechts vorgelegt. Nach einer Teilharmonisierung der Rechtsvorschriften der EU-Mitgliedsstaaten im Jahr 1988 und Einführung der Gemeinschaftsmarke 1993, soll der Markenschutz nunmehr den veränderten wirtschaftlichen und technischen Rahmenbedingungen der vergangenen 20 Jahre angepasst und modernisiert werden. Angestrebt wird, dass Unternehmen von einem vereinfachten Verfahren und effektiveren Rechtsschutz profitieren.

Das Reformpaket umfasst drei Teile: eine Neufassung der MRL, eine Überarbeitung der GMV und eine Überarbeitung der Verordnung (EG) Nr. 2869/95 der Kommission vom 13.12.1995 über die an das HABM zu entrichtenden Gebühren. Die nun vorliegenden Gesetzesinitiativen zur Reform des EU-Markensystems sind die Früchte einer mehr als vierjährigen Vorbereitung. Unter den Protagonisten im Bereich des Markenrechts herrscht weitgehender Konsens darüber, dass die Fundamente des bestehenden Markensystems sich in der Praxis bewährt haben.

Eine „Revolution“ ist daher weder gewünscht noch notwendig. Vielmehr stehen gezielte Verbesserungen und eine präzise Modernisierung des vorhandenen Regelungswerks im Focus. Der Kommissionsvorschlag basiert auf einer umfassenden Evaluierung der Funktionsweise des Europäischen Markensystems in Abstimmung mit allen maßgeblichen Interessengruppen. Das Herzstück bildet eine beim Max-Planck-Institut für Immaterial- und Wettbewerbsrecht im November 2009 in Auftrag gegebene Studie, die im Februar 2011 fertig gestellt und veröffentlicht wurde.[42]

Das Kernziel des Reformvorhabens besteht darin, insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmen unionsweit einen verbesserten Zugang zum Eintragungsverfahren zu gewähren. Unternehmen sollen von vorteilhaften Innovationsbedingungen und einem wirksameren Markenschutz profitieren. Dies gilt mit Blick auf geringere Kosten, schnellere Verfahren, bessere Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit.

Die nationalen Verfahren sollen nach dem Vorbild des Gemeinschaftsmarkensystems gestrafft und vereinheitlicht werden. Veraltete Vorschriften gilt es zu modernisieren und zu ergänzen sowie Unklarheiten in Gesetzestext und Auslegung zu beseitigen. Dabei ist der umfangreichen Entscheidungspraxis des EuGH Rechnung zu tragen. Schließlich soll die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Markenämtern und dem HABM in Alicante gestärkt und auf eine klare Rechtsgrundlage gestellt werden.

Für die Annahme der Reformvorschläge wird das Frühjahr 2014 angestrebt. Anschließend haben die Mitgliedsstaaten die Neuregelungen der Markenrichtlinie innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umzusetzen. Die Koexistenz zwischen den nationalen und dem europäischen Markensystem bleibt weiterhin ein zentraler Stützpfeiler.

Die Option eines europaweit einheitlichen Markengesetzbuches wurde von der Kommission im Rahmen des Folgenabschätzungsverfahrens durchaus erwogen, indes als zu weitgehend und politisch nicht opportun angesehen.[43] Ein praktisches Bedürfnis für rein nationale Registrierungen und die Komplementarität beider Systeme lässt sich nicht von der Hand weisen. Dennoch dürfte die Bedeutung nationaler Marken in Zukunft wohl weiter abnehmen und sich die Erfolgsgeschichte der Europäischen Marke fortsetzen.

Fußnoten:

[1] Übers.: „In diesem Zeichen wirst du siegen“.
[2] BGH, GRUR 2006, 850 – FUSSBALL WM 2006.
[3] EuGH, GRURInt 2012, 637 – Goldhase; BGH, GRUR 2007, 235 – Goldhase I; GRUR 2011, 148 – Goldhase II.
[4] LG Köln, GRUR-RR, 2013, 102 – Goldbär.
[5] EuG, Urteil vom 16.09.2013, Az.: T-250/10 – KNUT – DER EISBÄR/KNUD; BPatG, Beschluss vom 02.07.2013, Az.: 33 W (pat) 45/11, BeckRS 2013, 14111.
[6] BPatG, Beschluss vom 04.06.2013, Az.: 27 W (pat) 49/12, BeckRS 2013, 12939 – Nichts reimt sich auf Uschi.
[7] In den Begriffen der klassischen Zeichenlehre werden bei jedem Zeichenprozeß drei Elemente unterschieden: 1. das „semainon“: das eigentliche Zeichen als physische Entität; 2. das „semainomenon“: das, was vom Zeichen ausgesagt wird (und keine physische Entität darstellt);3. das „pragma“: das Objekt (im weitesten Sinne), auf das das Zeichen sich bezieht und das wiederum eine physische Entität oder ein Ereignis bzw. eine Handlung ist (gr. πραγμα), vgl. Eco, Zeichen: Einführung in einen Begriff und seine Geschichte, 1977, S. 27 f.
[8] Richtlinie 89/104/EG vom 21.12.1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Marken (kodifiziert als Richtlinie 2008/95/EG).
[9] Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20.12.1993 über die Gemeinschaftsmarke (kodifiziert als Verordnung (EG) Nr. 207/2009).
[10] Vgl. Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta
[11] BGH, GRUR 1999, 161 (162) – MAD DOG.
[12] Siehe die Richtlinie 2005/29/EG vom 11.05.2005 über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-Richtlinie).
[13] In der Folgebeschränkt sich die Zitierung aus Gründen der Vereinfachung auf Normen des deutschen MarkenG. Die Parallelvorschriften nach der MRL und GMV sind weitestgehend inhaltsgleich
[14] Vgl. BVerfG, GRUR 2005, 261.
[15] Siehe die Projektseite unter http://newgtlds.icann.org.
[16] Es handelt sich nach deutschem Recht um ein nachgeschaltetes Widerspruchsverfahren, während bei der Gemeinschaftsmarke die Eintragung erst nach Ablauf der Widerspruchsfrist erfolgt.
[17] Im Verletzungsprozess kann die Einrede der Löschungsreife gegen die Klagemarke aufgrund prioritätsälterer Rechte erhoben werden
[18] Die Ankündigung erfolgt insbesondere durch Anzeige im Titelschutzanzeiger (abrufbar unter: http://www.titelschutzanzeiger.de).
[19] Zu den Kriterien siehe im Einzelnen: EuGH, GRUR 2009, 763 – Lindt & Sprüngli/Franz Hauswirth.
[20] BPatG, GRUR 2007, 333 (335) – Papaya; Ströbele in:Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Auflage,
§ 8 Rn. 67; abweichend Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage, § 8, Rn. 119.
[21] Vgl. dazu umfassend Risthaus, Erfahrungssätze im Kennzeichenrecht, 2. Auflage.
[22] EuGH, GRUR 2004, 674 (678 Rn. 86) – Postkantoor; BGH, GRUR 2001, 1153 – anti KALK; GRUR 2005, 417 (418) – BerlinCard; GRUR 2006, 850 (854 Rn. 19) – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2009, 952 (953 Rn. 10) – DeutschlandCard
[23] BGH, GRUR 2001, 1043 (1044) – Gute Zeiten – Schlechte Zeiten; GRUR 2003, 1050 (1051) – Cityservice; GRUR 2006, 850 (854 Rn. 18) – FUSSBALL WM 2006.
[24] EuGH, GRUR 2008, 608 (611 Rn. 67) – EUROHYPO; BGH, GRUR 2009, 411 Rn. 8 – STREETBALL.
[25] EuGH, GRUR 2004, 1027 (1029 Rn. 38) – DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; BGH, GRUR 2001, 735 (736) – Test it; GRUR 2009, 949 (951 Rn. 27) – My World.
[26] BGH, GRUR 2006, 850 – FUSSBALL WM 2006.
[27] BGH, GRUR 2006, 850 (854 Rn. 20) – FUSSBALL WM 2006.
[28] BGH, GRUR 2010, 1100 – TOOOR!; GRUR 2008, 1093 – Marlene-Dietrich-Bildnis I; GRUR 2010, 825 – Marlene-Dietrich-Bildnis II.
[29] Vgl. EuGH, GRUR 1999, 723 – Windsurfing Chiemsee; BGH, GRUR 2009, 669 – POST; GRUR 2006, 679 – Porsche Boxter.
[30] BGH, GRUR 1998, 696 – Rolex-Uhr.
[31] BGH, GRUR 2009, 871 – Ohrclips.
[32] EuGH, GRUR 2010, 445, Rn. 70 ff., 75 ff. – Google France; GRUR 2009, 756 – L’Oréal/Bellure.
[33] EuGh, GRUR 2004, 58, Rn. 40 – Adidas/Fitnessworld; BGH, GRUR 2003, 332 (334) – Abschlussstück.
[34] BGH, GRUR 2010, 726 – Opel-Blitz II.
[35] EuGH, GRUR 2010, 445, Rn. 70 ff., 75 ff. – Google France; GRUR 2009, 756 – L’Oréal/Bellure; BGH, GRUR 2013, 290 – MOST-Pralinen; GRUR 2010, 445 – POWER BALL.
[36] Vgl. EuGH, GRUR 2005, 1042, Rn. 28 – THOMSON LIFE; GRUR 2008, 343, Rn. 33 – BAINBRIDGE.
[37] EuGH GRUR 1998, 387, Rn. 22 – Springende Raubkatze; BGH GRUR 2011, 824, Rn. 19 – Kappa/KAPPA
[38] EuGH, GRUR 2010, 933, Rn. 33 – Barbara Becker; BGH, GRUR 2012, 64, Rn. 9 – Maalox/Melox-GRY; GRUR 2012, 1040, Rn. 40 – pure/pjur.
[39] EuGH, GRURInt 2010, 129, Rn. 60 – La Espahola/Carbonell; BGH, GRUR 2009, 1055, Rn. 26 – airdsl.
[40] EuGH, GRUR 2006, 413, Rn. 21 – ZIRH/SIR; BGH, WRP 1999, 192 (194) – PATRIC LION/Lions.
[41] Vgl. http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-13-291_en.htm?locale=en.
[42] Siehe von Mühlendahl/Kur/Knaak, in: GRURInt 2012, 197.
[43] Commission Staff Working Paper, Impact Assessment, SDW(2013) 95, S. 43.

Dr. Mark Lerach aus Iurratio Ausgabe 4 / 2013

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