Sind die Klausuren des zweiten Staatsexamens erst einmal geschafft, steht auch schon die dreimonatige Wahlstation, die letzte von fünf Stationen des Referendariats, an.
Wie der Name schon sagt, hat der Referendar die Qual der Wahl: Neben Unternehmen, Großkanzleien, Staatsanwaltschaften, Gerichten locken auch internationale Institutionen mit interessanten Angeboten für die angehenden Volljuristen. Viele Referendare entscheiden sich dafür, nach der harten Examensvorbereitung Auslandsluft zu schnuppern. Besonders begehrt sind die Stellen beim Auswärtigen Amt. Ich habe mich in der Wahlstation für das Auswärtige Amt entschieden und möchte über diese spannende Zeit berichten.
Jede große Reise beginnt bekanntlich mit dem ersten Schritt. Der erste Schritt ist die Bewerbung. Die Bewerbung ist an das Auswärtige Amt in Berlin zu richten und muss folgende Unterlagen beinhalten:
Auf den Bewerbungsbögen können mehrere örtliche Präferenzen angegeben werden. Ich habe nur Orte in den USA angegeben, da ich bis dato keine englischsprachigen Auslandsaufenthalte nachweisen konnte. Dazu muss man sagen, dass die USA ein begehrtes Ziel sind. Da die Zahl der eingehenden Bewerbungen die Anzahl der zur Verfügung stehenden Ausbildungsplätze regelmäßig übersteigt, kann man sich sehr glücklich schätzen, wenn man überhaupt eine Zusage bekommt. Die Bewerbungsunterlagen müssen dem Auswärtigen Amt spätestens sieben Monate vor Antritt der Station vorliegen.
Circa 6 Monate vor Beginn der Station bekommt man eine Ab- oder Zusage. Allerdings erhalten die Bewerber schon nach Erhalt der Bewerbung eine Information, ob die Bewerbung überhaupt in den Bewerberpool aufgenommen wird. Die Bewerbung wird anhand eines Kriterienkatalogs nach Punkten bewertet. Hierbei werden unter anderem die Note des ersten Staatsexamens, praktische Erfahrungen in Inland und Ausland, Berufsausbildungen, Auslandsaufenthalte sowie Sprachkenntnisse berücksichtigt. Das bedeutet, dass nicht nur Bewerber mit überdurchschnittlichen Noten eine Zusage erhalten können, sondern auch Kandidaten, bei denen das „Gesamtpaket“ stimmt. Ich persönlich kann jeden nur ermutigen, sich zu bewerben. Im schlimmsten Fall bekommt man eine Absage; im besten Fall aber eine Zusage für einen wunderschönen Ort auf der Welt.
6 Monate vor Beginn der Station kommt dann die erlösende Nachricht: Per E-Mail wird dem Bewerber mitgeteilt, wohin die Reise geht. Ich durfte tatsächlich meine Wahlstation in Washington D.C. verbringen, womit ich gar nicht gerechnet habe. Umso glücklicher
war ich natürlich und habe sofort zugesagt. Sodann erhielt ich vom Auswärtige Amt ein Merkblatt, das neben zahlreichen Tipps u.a. auch eine Housing List enthielt.
Nach der Zusage musste ich eigentlich nicht viel mehr tun, als einen Flug zu buchen und mit Hilfe der Liste eine Unterkunft zu suchen. Letzteres lief glücklicherweise problemlos. Bezüglich des Visums ist ebenfalls das Auswärtige Amt sehr behilflich. Man muss weder persönlich bei einer US-Botschaft vorsprechen, noch die Kosten für das Visum übernehmen. Nachdem all das geklärt war, musste ich nur noch auf den Tag des Abflugs warten. Bei mir ging es eine Woche nach den Examensklausuren los.
Angekommen in D.C., wurde ich in der Wirtschaftsabteilung eingesetzt. Da die deutsche Botschaft in Washington D.C. die größte deutsche Botschaft der Welt ist, waren dort zeitgleich fünf Referendare tätig. Neben der Wirtschaftsabteilung konnte man im Rechts- und Konsularwesen, in der Presse, in der Politikabteilung oder in der Kulturabteilung eingesetzt werden. Alle fünf Abteilungen waren hochinteressant, so dass man gar kein Pech bei der Zuweisung haben konnte. Zu meinen Tätigkeiten in der Wirtschaftsabteilung gehörten neben dem Erstellen von Vermerken zu wirtschaftlichen und juristischen Themen, auch die Teilnahme an sog. Think Tanks, über die ich sodann berichten musste. Beispielsweise habe ich an einem Seminar zum Thema „Blockchain“ teilgenommen und ein Meeting mit dem Senior Executive Vice President for Public Affairs eines großen deutschen Autoherstellers begleitet. Mein persönliches Highlight war aber ganz klar ein Vortrag von Jean-Claude Juncker zu den europäisch-amerikanischen Beziehungen.
Zudem konnten alle Hospitanten an zahlreichen Aktivitäten teilnehmen: Besuch bei deutschen Fernsehstudios, Treffen mit Anwälten von internationalen Kanzleien, Vorträge beim IWF und der Weltbank und vieles mehr. Wir hatten einen sehr vollen Terminkalender, da wir alle so viel wie möglich in drei Monaten mitnehmen wollten. Es gab keinen Tag, an dem man sich gelangweilt hat. Dies gilt natürlich vor allem auch für die Freizeit. Man könnte glauben, dass Washington im Gegensatz zu Städten wie New York oder L.A. nicht viel zu bieten hat. Aber ich habe es bei weitem nicht geschafft, jede Ecke dieser besonderen Stadt zu erkunden. Neben unzähligen kostenlosen Museen, gibt es zahlreiche Sehenswürdigkeiten wie das Weiße Haus, das Capitol und viele Memorials. Der Supreme Court, der oberste Gerichtshof der USA, hat mein Juristenherz natürlich am höchsten schlagen lassen. Neben all den kulturellen Angeboten verfügt Washington über ein vielfältiges und buntes Nachtleben. Es ist für jeden etwas dabei. An den Wochenenden habe ich auch Trips nach New York und Philadelphia unternommen. Die Ostküste ist wirklich nicht zu unterschätzen.
Drei Monate sind wie im Flug vergangen. Ich habe - neben meinem LL.M. - die beste Zeit meines Lebens erlebt und mich fachlich und persönlich weiterentwickelt. Eine Station beim Auswärtigen Amt kann ich jedem empfehlen, selbst wenn man sicher weiß, dass der Weg nach dem Referendariat woandershin gehen soll. Bei nahezu allen Arbeitgebern ist das Auswärtige Amt eine gerngesehene Referenz. Neben Sprachkenntnissen entwickelt man starke Sozialkompetenzen. Bei meinen bisherigen Vorstellungsgesprächen kam die Wahlstation sehr gut an. Der einzige Wermutstropfen: Eine solche Station kostet viel Geld, vor allem in den USA. Man sollte sich aber damit trösten, dass man eine solche Erfahrung nur einmal im Leben macht und dass die gesamte juristische Ausbildung ohnehin schon sehr teuer ist. Bereut habe ich meine Entscheidung nie, obwohl ich natürlich in keiner freien Minute für die mündliche Prüfung gelernt habe. Am Ende des Tages hat es aber auch so geklappt.
Mein Rat an (angehende) Referendare: Bewerbt euch beim Auswärtigen Amt und nutzt diese einmalige Chance, bevor es in das Berufsleben geht. Vor der Bewerbung lohnt es sich bestimmt, die Erfahrungsberichte anderer Referendare und Praktikanten auf dem Intern Blog der Botschaft durchzulesen.
Hier findest du alle wichtigen Informationen zum Referendariat über Ablauf, Planung und Bewerbung sowie Unterhaltsbeihilfen.
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