Eine Anleitung zu 0 Punkten in einer Jura-Klausur
Erst kürzlich hat der Bayrische Verwaltungsgerichtshof die Entscheidung bestätigt, einem jungen Examenskandidaten 0 Punkte in seiner Prüfung (Klausur) zu geben, weil dieser einen falschen Gesetzestext mit sich führte. Im Folgenden findest du eine Anleitung, wie du in einer Klausur das gleiche Ergebnis erzielen kannst, ohne dabei auf die Auswahl Deines Gesetzestextes achten zu müssen.
Sachverhaltserfassung
Nimm sämtliche Fineliner, Marker und Buntstifte zur Hand, die sich dir anbieten und markiere alles, was dir wichtig erscheint. Gehe hier auf keinen Fall systematisch vor. Beteiligte in unterschiedlichen Farben zu markieren oder Daten besonders zu kennzeichnen verwirrt dich nur. Auch Sinnabschnitte sind völlig oldschool. Wichtig ist vor Allem ein möglichst buntes Gesamtbild. Vermeide es unbedingt, einen Zeitstrahl anzulegen oder die Kernfrage „Wer will was von wem woraus?“ zu beantworten. Das machen nur Anfänger.
Lösungsskizze
Punkte kriegst du nur für deine Bearbeitung. Also fang direkt an zu schreiben. Eine Lösungsskizze brauchst du nicht. Gerade bei komplizierten Fragestellungen mit mehreren Beteiligten oder einer Kondiktion im Dreipersonenverhältnis raubt dies nur überflüssige Zeit. Die besten Gedanken kommen beim Schreiben.
Falllösung
Nun kannst du mit der Reinschrift beginnen. Nutze hierfür am Besten einen dicken Edding. Auch Rotstift ist von Korrektoren gerne gesehen. So hebst du dich in jedem Falle ab. Statt des klassischen Klausurpapiers kannst du ebenso gut deinen karierten Block verwenden. Vorteil ist, dass du hier bis zum Rand schreiben kannst und nicht von dem ungemütlichen Korrekturrand gestört bist.
Nutze in keinem Fall Zwischenüberschriften oder Absätze. Das ist nicht nur Papierverschwendung und umweltökonomisch grob fahrlässig, sondern macht es schwieriger, deine Bearbeitung als Gesamtkunstwerk zu erfassen.
Inhaltlich solltest du auf Nummer sicher gehen. Lass dich auf keinen Fall von der Aufgabenstellung in die Irre führen.
Ist dort ausschließlich nach dinglichen Ansprüchen gefragt, prüfe auf jeden Fall zuerst vertragliche, quasivertragliche und gesetzliche Ansprüche ausführlich, das Beste hebst du dir für den Schluss auf.
Es ist nach der Strafbarkeit von T gefragt? Prüfe erst einmal O, der hat es meist faustdick hinter den Ohren. B will wissen, ob seine Anfechtungsklage begründet ist? Erstmal gucken, ob sie zulässig ist. Standardfehler in der juristischen Anfängerklausur ist es, sich auf Altbewährtes zu verlassen.
Positiv hebst du dich hervor, wenn du alles kurz und bündig im Urteilsstil formulierst. Definitionen? Stehen in jedem Lehrbuch. Kann der Korrektor doch selbst nachschlagen für die 8,50 €, die er an deiner Klausur verdient. Damit bleibt dir nun genug Zeit, dich um das Wichtigste in deiner Klausur zu kümmern- den Sachverhalt zu interpretieren. Hier gilt die Devise: je mehr Fantasie, desto besser. Der Sachverhalt enthält keinerlei Hinweise auf eine etwaige Minderjährigkeit des K? Dann war K mit Sicherheit unter 18. Dem Sachverhalt ist nicht zu entnehmen, ob T schuldunfähig infolge von Alkoholgenuss war? Wer eine solche Tat begeht, kann nur unter Drogeneinfluss gestanden haben. Laut Sachverhalt lag dem Schreiben eine Rechtsbehelfsbelehrung bei? Die war unter Garantie rechtsfehlerhaft.
Verlasse dich bloß nicht auf das Trennungs- und Abstraktionsprinzip. Das verkompliziert alles nur unnötig. K hat den Vertrag unterschrieben? Er ist Eigentümer.
Eine Trennung zwischen objektivem und subjektivem Tatbestand ist so 20. Jahrhundert. Dolus eventualis und directus ersten und zweiten Grades sind vollkommen veraltete Rechtsfiguren. Berufe dich auf dolus totalis und hake alles in einem Satz ab. Der Fokus in Anfängerklausuren liegt ohnehin auf der Berechnung des Strafmaßes.
Vergiss die modifizierte Subjektstheorie. Die Abgrenzung zwischen öffentlich- und privatrechtlicher Streitigkeit ist genauso überflüssig wie eine genaue Bestimmung der statthaften Klageart.
In der Klausur selbst gilt
Bist du dir an einer Stelle unsicher, schlag in deinem Lehrbuch nach oder ruf deinen Papa, der Anwalt ist, an. Stell das Telefon aber unbedingt auf Lautsprecher, damit alle etwas von der Information haben. Du kannst auch deine Sitznachbarn fragen, Gruppenarbeit ist nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht.
Abgabe
Wenn es heißt „Die Schreibzeit ist beendet.“ kannst du ruhig noch zehn Minuten schreiben. Nimm dazu am Besten den Rücken deines Kommilitonen in der Klausurabgabeschlange, das verbessert das Schriftbild ungemein. Wird um eine anonyme Abgabe gebeten? Schreib deinen vollen Namen und Adresse auf die Klausur, es gibt schließlich nichts, wofür du dich schämen brauchst.
Um auf Nummer sicher zu gehen, schiebe dem Korrektor noch einen kleinen grünen Schein zwischen die Blätter, das ist immer gern gesehen.
Die Wahrscheinlichkeit, mit dieser „Leistung“ ein Ergebnis von 0 Punkten zu erzielen, ist nicht gering, jedoch kann für den „Erfolg“ nicht garantiert werden.